Aber er muss doch wissen, dass er das nicht darf!

Ich behaupte mal, so ziemlich jede*r Hundehalter*in hatte schon einmal diesen Gedanken: "Der Hund muss doch auch lernen, was er NICHT darf." Stimmts? Wenn ja, du bist nicht alleine! Und noch besser, hier findest du die passenden Gedanken und Lösungen, um aus dem Gedanken heraus nicht ins sinnlose "Nein-Aus-Pfui" oder gar ein Strafen abzurutschen....

Der Grundgedanke dahinter ist (leider) einfach nur menschlich - wir möchten unserem Hund gerne erklären, dass bestimmte Verhaltensweisen nicht erwünscht oder gar verboten bzw. gefährlich sind. Nun sollten wir aber einen Schritt weiter gehen und uns fragen, wie wir dies als Sender dem Hund als Empfänger begreiflich machen. Daher zunächst eine Info, die dir wahrscheinlich nicht neu ist, aber allzu häufig vergessen geht; denn (d)ein Hund versteht unsere Sprache nicht!

Dies ist deswegen so wichtig im Hinterkopf zu behalten, da in den meisten Fällen ein Nein/Aus/Pfui/Lass das oder Ähnliches nicht trainiert, sondern einfach gesagt wird - das heißt, der Hund weiß meistens gar nicht, was das bedeutet, da er es a) weder versteht und b) auch nicht beigebracht bekommen hat.

Und nun kommt die Krux, denn viele Hunde "reagieren" dennoch auf diese "Aussagen". Dies liegt jedoch einfach nur daran, dass der Mensch sie eher laut bzw. einer gewissen Tonlage ausspricht ggf. komibiniert mit hemmenden Zischlauten und/oder einer bedrohlichen Körpersprache - der Hund wird also eingeschüchtert. Hat er dadurch verstanden, WAS genau jetzt gerade unerwünscht war?

Frag' dich das doch mal, wenn dir das nächste mal ein Nein rausrutscht. Oder achte einfach darauf, ob dein Hund das Verhalten, welches du soeben unterbrechen oder unterbinden wolltest, erneut zeigt. Macht er? Wie frech :D Spaß beiseite, er es wohl einfach nicht verstanden (auch wenn du denkst, "der weiß, dass er das nicht tun soll") ...

 

Wie machst du es nun richtig bzw. besser?

 

Die gute Nachricht: Dein Hund kann Dinge lernen zu tun - und das lernt er deutlich besser, schneller und mit mehr Freude, als Dinge nicht zu tun. Das Zauberwort heißt hier: Alternativverhalten.

 

Dein Hund sieht die Rehe am Horizont und würde sie gerne jagen? Das ist eine eher weniger gute und gesellschaftlich nicht sehr anerkannte Idee... Ganz zu schweigen davon, was die Rehe davon halten. Ruhiges Beobachten dagegen ist sehr erwünscht! Demnach kannst du dieses Verhalten verstärken, sodass dein Hund es häufiger zeigt. Dein Hund lernt, dass Wild beobachten gut ist, Hetzen eher nicht. Das hier gewählte Beispiel beinhaltet viele. kleine Trainingsschritte und das erwünschte Verhalten lässt sich nicht von jetzt auf gleich "herbeizaubern" - bspw. benötigst ein Markersignal, bedürfnisorientierte Belohnungen, eine gute Absicherung über Brustgeschirr+Schleppleine, ausreichend Distanz uvm.Denn slebstverständlich sollte der Hund nicht nach dem Schauen anschließend ins Hetzen übergehen ;)

Aber, es lässt sich TRAINIEREN! Und macht somit ein "Abstrafen" des unerwünschten Verhaltens (des Hetzens) unnötig und ja auch irgendwie unfair, oder? Immerhin kann man mit ein bisschen Engagement und Können des Halters seinen Hund auch anders führen und trainieren.

An dieser Stelle könnte ich nun x-beliebige Beispiele für unerwünschtes Verhalten aufführen, die Quintessenz bleibt aber gleich: Überlege dir, was du möchtest, statt was du NICHT möchtest! Und das wird dann verstärkt bzw. trainiert =)

Jap, ist ein bisschen Aufwand, ABER ich unterstelle mal, du hast ja deinen Hund, um mit ihm gemeinsam Spaß zu haben? Warum dann nicht Spaß haben beim Training eines (erwünschten) Verhaltens?

Hier findest du im TSD-Trainernerzwerk und/oder bei gelisteten IBH-Hundeschulen kompetente und gewaltfreie Unterstützung - wie bspw. auch bei uns ;)

 

"Training beschreibt den Weg von dem, was wir haben, zu dem, was wir wollen!" - Bob Bailey

 

Da ich dieses Thema sicherlich über viiiiele Seiten ausreizen könnte und jeder, der dies ließt, so seine ganz eigenen Situationen und Fragen dazu im Kopf hat, beschränke ich mich auf eine letzte Abschlussaussage, die - wie ich hoffe - dir bei deinen eigenen gedanken weiterhilft. Denn (noch viel zu) häufig begegnet man der "Zuckerbrot und Peitsche"-Philosophie. Die Hundeschule wirbt mit gewaltfreiem Training, aber wenn etwas nicht so klappt, soll man doch mal ein bisschen an der Leine "zuppeln" oder den Hund mal kurz in die Seite stupsen, wenn er nicht aufmerksam ist oder ein bekanntes Signal unmittelbar ausführt - das tut ihm ja nicht weh. Wenn der Hund immer wieder in die Leine springt, muss man ihm eben mal eine klare Ansage machen. Wenn der Welpe schon wieder dem Kind in die Finger schnappt, wird er in die Box gesperrt.

Puh, was passiert denn hier? Die Hoffnung dahinter ist klar, der Hund soll verstehen, dass er das unerwünschte Verhalten nicht "darf" - tatsächlich passiert dies aber nur, wenn die Strafe (ja, etwas Unangenehmes ist eine Strafe!) auch so heftig ist, dass es einen bleibenden Eindruck hinterlässt - gefährlich. Was passiert viel häufiger? Der Hund verknüpft die Situation, einen bestimmten Reiz oder gar dich als Bezugsperson mit einem negativen Gefühl - noch viel gefährlicher! Im besten Fall schädigst du damit nur die Beziehung zwischen dir und deinem Hund - im schlimmsten Fall, möchte der größer werdende Welpe diese gefährlichen Kinderfinger immer weiter und vehementer von sich fernhalten. Und weniger Leinenzug bei noch größerem Stress klappt wohl auch nur, wenn der Hund so unterdrückt ist, dass er sich äußerlich zusammen reißen kann, obwohl er innerlich brodelt. Hier ploppt bei mir immer das Bild vom überschäumenden Kochtopf auf, bei dem mit aller Kraft versucht wird, den Deckel runter zu drücken, statt die Flamme darunter etwas kleiner zu drehen.

Überlege dir doch also bitte das nächste mal, wenn du möchtest, dass dein Hund lernt, dass er etwas nicht tun soll, was er denn stattdessen tun kann. Und dann sorge - eventuell über kleinschrittiges Training - dafür, dass er das von dir erwünschte Verhalten zeigen kann, weil er es MÖCHTE, weil es sich für ihn lohnt. So bekommst du eine nachhaltige Änderung und nicht einen Hund, der Angst vor dir hat oder einfach nur abwartet, bis du nicht aufmerksam genug bist. Wenn du hier selbst fit genug bist/wirst und deinen Hund entsprechend anleitest, wirst du sehen, dass du so viel schneller deinem Ziel näher kommst.

 

Mach Schluss mit "Nein" für "Fehler" auf der einen Seite und Kekse fürs brav sein auf der anderen Seite! Lasse deinen Hund keine Fehler machen bzw. ermögliche ihm Alternativverhalten und verstärke das Gute, was übrig bleibt. Ganz nebenbei gibts eine noch bessere, tiefere, harmonischere Beziehung mit deinem Hund obendrauf.

Und nun muss ich bei diesem großen, komplexen Thema mal ein Ende finden... Für dein konkretes Problem finden wir gerne auch mit dir gemeinsam einen passenden Weg! Denn, wer will findet Wege - wer nicht will findet Gründe ;)

 

"Wer sagt, dass zuverlässiges Verhalten bei diesem oder jenem Hund nicht ohne Strafe erreichbar ist, sagt nichts über den Hund aus, sondern beschreibt erst einmal seine eigenen Fähigkeiten." - Ute Blaschke-Berthold